Page 8 - Katalog Sigrid von Lintig 2020.indd
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lichts andere und gebrochene Konturen zeigt. Aber unabhängig    wäre Vieles unscharf und unbekannt, insofern nimmt gegenwär-
                         davon, was das Foto als Moment einfriert, ist das so Gesehene   tige Malerei auf die durch technische Geräte reflektierte Wahr-
                         weitergedacht und frei gemalt. Die Bläschenstruktur darin löst   nehmungswirklichkeit Bezug, aber dieser Aspekt ist bereichert
                         sich vom Bezug auf Foto und bewegtes Bild und wird freie Ma-    durch die spürbare Lebensfreude, die in diesen Tauchvorgängen
                         lerei, zumal dann auch noch die Grundfarben, nicht streng blau,   steckt und durch die Malfreude der Künstlerin, die in den un-
                         rot, gelb, eher cyan, magenta und yellow in einen klassisch mo-  aufdringlichen Details steckt. Hier spielt das Format der Bilder
                         dernen Kontrast geraten. Als Motiv, die Malerei selbst spielerisch   eine Rolle. Im kleinen Format hat man viel weniger Möglichkei-
                         sichtbar zu machen, Raumtiefe, Licht, Farbgebung und Formauf-   ten, Details anzugeben. Da müsste man mit einem Einhaarpinsel
                         lösung zu thematisieren, ist das Schwimmbecken ein idealer Ort   arbeiten. Aber es handelt sich ja weder um Fotorealismus noch
                         zur Bildfindung und Wahrnehmungsschulung.                       um Miniaturmalerei, wie deutlich wird, sondern um eine Form
                                                                                         der Abstrahierung und der Anwendung von Pigmentfarben. Je
                         Im  Gegensatz  zu  früheren Varianten  aus  diesem  Schwimmer-  größer das Bild wird, umso stärker ist der Unterschied zwischen
                         Zyklus, die eher Grün betont haben, tritt jetzt Blau etwas stärker   der Fern- und der Nahwirkung. Die Attraktivität der Bilder liegt
                         hervor, in verschiedenen Tiefen und Aufhellungen durch Weiß     im Lockmittel der Details, durch die man verführt wird, die Bilder
                         variiert. Das Ganze lebt vom natürlichen und künstlichen Licht   zu lesen, darin zu wandern, sie nicht flüchtig zu konsumieren. Es
                         in einer Schwimmhalle. Bei ganzjähriger Nutzung merkt man im    sind Hingucker, in denen sich die Künstlerin freigeschwommen
                         Jahreszeitenvergleich, dass die tiefstehende Sonne im Frühling   hat zu einer reichen reinen Malerei.
                         ganz  andere  Durchleuchtungen  des  Wassers  ergibt  und  man
                         Schattierungen für Hell-Dunkel-Zonen nutzen kann. In Sigrid von
                         Lintigs pigmenthaltiger Lichtmalerei ist nicht impressionistische
                         Flüchtigkeit, sondern über die nicht wahrnehmbare Wirklichkeit
                         von Sekundenbruchteilen hinaus, die Fotos als Komplexität er-
                         fassen, vielmehr eine stimmige Lebendigkeit im Malprozess er-
                         wirkt. Ohne Hilfsmittel wie Brillen, Mikroskope und Ferngläser







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