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Wasser Wesen






                           Fragen von Esther Niebel, Galerie The Grass is Greener, Leipzig,   zu verlieren, aufzugehen in einem Strudel aus Licht und eins zu
                           an Sigrid von Lintig                                          werden mit der Umgebung.

                         Esther Niebel:                                                  Esther Niebel:
                         Seit  circa  5  Jahren  malst  du  Schwimmer  oder  besser  gesagt,   In der Malerei gibt es eine gewisse Tradition der Darstellung von
                         Menschen im Schwimmbad. Manche schwimmen, manche sind           Wasser: bei den Romantikern war Wasser oder das Meer eine
                         gerade ins Wasser gesprungen, manche in Bade- und manche        wilde  Naturgewalt,  später wurde  sie  zur  Landschaftsform wie
                         in Straßenkleidung. Manche sind von oben in ihrer Verkürzung    zum Beispiel bei Monet und schließlich bei Hockney und seinen
                         dargestellt,  manche  horizontal  im Wasser  sich  bewegend,  alle   Pool-Bildern zu einem Lebensgefühl. Keine dieser Rollen, auch
                         jedoch sind unter Wasser, auch mit dem Gesicht. Ist das Absicht?   nicht als Zitat oder Weiterentwicklung, nimmt es bei dir an. Bei
                         Gibt es dafür einen Grund?                                      dir  ist Wasser  ein  fundamentales  Element,  in  das  das  Subjekt
                                                                                         eintaucht, um sich in einem anderen Zustand zu erleben. Wie
                         Sigrid von Lintig:                                              würdest du die Bedeutung des Wassers in deinen Bildern be-
                         Malerin  und  Modell  befinden  sich  in  unterschiedlichen  Räu-  schreiben?
                         men,  der  eine  besteht  aus  Luft,  der  andere  aus  Wasser.  Die
                         Grenze zwischen den Räumen bildet eine Fläche, auf der Da-      Sigrid von Lintig:
                         hinterliegendes durch Reflexion und Lichtbrechung fremdartig    Das Wasser zeige ich in seiner ganzen Dynamik, in der Wech-
                         abgebildet erscheint. Es handelt sich um einen Effekt, der mir   selwirkung von Bewegen und bewegt werden. Auch das Auge
                         zusätzliche Distanz zum Modell verschafft und Freiheit bei der   des Betrachters gerät in Aktion, um das Vielgestaltige zu erfas-
                         malerischen Umsetzung ermöglicht. Für den Betrachter ist die    sen. Das Potential des Wassers, Leben hervorzubringen und zu
                         Grenze  zwischen  den  Räumen verbunden  mit  der  Sehnsucht,   nehmen, wird augenfällig in seinen soghaften Strudeln, die es
                         diese  zu  überwinden,  um  wie  das  Modell  die  Körperschwere   als wirkendes Element darstellen. Die unablässige Veränderung











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