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des Licht- und Farbenspiels auf der Oberfläche macht es gleich-  Oberfläche mehr. Die Wasseroberfläche ist aufgewühlt, da die
                         zeitig zart und lebendig. Formen zerfallen und entstehen neu,   Schwimmer in Bewegung sind. Die Form der Schwimmer wiede-
                         aber immer abgewandelt. Die optischen Phänomene weisen uns      rum ist verzerrt durch das Wasser. Die Schwimmer wirken durch
                         darauf hin, dass alles in Natur und Lebenswelt der Wandlung     das Wasser schwerelos, was sich natürlich optisch, primär aber
                         unterworfen ist. Insofern begreife ich die Bilder nicht als einge-  emotional auswirkt. Jeder kennt das Gefühl von Wasser „getra-
                         frorene Momente, sondern als Ausdruck einer ständig fortlau-    gen“ zu werden. Das Licht im Schwimmbecken strahlt von unten,
                         fenden Zeit.                                                    so dass es aussieht, als ob die Schwimmer von innen leuchten
                                                                                         würden. Wie kam es zu der Zäsur zwischen den Bildserien?
                         Esther Niebel:
                         Bevor du angefangen hast, Menschen im Wasser zu malen, hast     Sigrid von Lintig:
                         du über zehn Jahre Türme gemalt. Bei den Türmen handelt es sich   Zwischen Türmen und Schwimmern lag noch die Serie der Still-
                         um Industrietürme von Bergabbaugebieten. Du bist in Duisburg    leben.  Ebenso  großformatige  Bilder,  die  auf  den  ersten  Blick
                         geboren und der Tagebau hat dich von Kindheit an geprägt. Aber   banale  Gegenstände  darstellten,  wie  das,  was  sich  auf  dem
                         auch Bergbautürme anderer Regionen scheinen dich fasziniert     Frühstückstisch befindet. Dabei habe ich die zuvor entwickelte
                         zu haben. So steht einer der ersten Türme der Serie in Thürin-  Monumentalisierung  genutzt,  um  nun  ein  Stück  Butter  neben
                         gen. Es scheint dir um Bergbau, Großmaschinen, übermensch-      einem Eierbecher zum Ereignis werden zu lassen. Die entschei-
                         liche Dimensionen als Kulturraum und als ästhetische Qualität   dende Wirkung brachte allerdings erst die gemalte Unschärfe.
                         gegangen zu sein. Du hast dich in der Turm-Serie an Oberflächen   Durch sie konnte ich mich über das Detail hinwegsetzen und den
                         abgearbeitet, daneben ging es dir um Materialität und Haptik der   Blick öffnen für eine umfängliche Atmosphäre. In übersteigerter
                         Form. Auch bei den Schwimmern geht es um Ästhetik. Ich habe     Farbigkeit erinnern die Stillleben etwas an Aurafotografien. Das
                         jedoch den Eindruck, dass sich dein thematisches Interesse von   Aufgehen des Gegenstandes im Licht habe ich hier erprobt und
                         außen nach innen verlagert hat. Es gibt in dem Sinne gar keine   es ist dann meine Brücke zur Serie der Schwimmer geworden.











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