Page 42 - Katalog Sigrid von Lintig 2020.indd
P. 42
Esther Niebel: schiedliche Emotionen hervorruft, oder die Verzerrung und op-
Deine Schwimmerserie ist entstanden, nachdem du es dir zur tische Fragmentierung ihrer Gliedmaßen, die mich immer wieder
Gewohnheit gemacht hast, jeden Tag schwimmen zu gehen. Je- aufs Neue fasziniert. Im Rückblick erscheint mir außerdem die
den Tag hast du dieses Ritual wiederholt. Eine immer wiederkeh- Gewohnheit, jeden Tag schwimmen zu gehen als Ritual der Rei-
rende Erfahrung mit und im Element des Wassers, in dem Raum nigung, als existentieller Sprung aus der belastenden Atmosphä-
und Zeit gefühlt eine andere Bedeutung annehmen. Dadurch, re der soliden Erde in den fließenden, schwingenden “Ozean der
dass der Kopf unter Wasser ist, ist die Raumwahrnehmung eine Undinen“. Schwimmen und Malen sind mir im Laufe der Zeit zu
andere. Die Außenwelt wird stärker gefiltert, der Schwimmer zwei Seiten derselben Medaille geworden.
wird auf sich selbst zurückgeworfen. Was verbindest du mit der
Wiederholung und was bedeutet es für dich, ein Motiv in unter-
schiedlichen Varianten immer wieder zu malen?
Sigrid von Lintig:
Der Maler darf sich allgemein gesprochen auch als Forscher
begreifen, der im Malen Entdeckungen macht, d.h. etwas ins
Sichtbare bringt, und anscheinend ist diese Forscherader bei mir
besonders ausgeprägt. Das Atelier ist mein Labor, hier versen-
ke ich mich ganz in den Gegenstand meiner Untersuchungen.
Die Versuchsanordnung scheint immer ähnlich, doch sind es
stets neue Facetten des Themas, die mein Interesse wecken und
durchgespielt werden. So prüfe ich beispielsweise die Gesten
der Schwimmer, ihre Körpersprache, die beim Betrachten unter-
40